Forschungsstelle für Theorie und Ethik christlicher Persönlichkeitsbildung

Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister und Prof. Dr. Michael Zichy

Projektbeschreibung

Während „character education“ im angloamerikanischen Raum sowohl in der schulischen Praxis als auch im wissenschaftlichen Diskurs fest verankert ist, fehlt es im deutschsprachigen Raum gegenwärtig an einer Auseinandersetzung. Der Charakterbegriff hat über die letzten 100 Jahre sukzessive an Relevanz und Renommee verloren, und mit ihm die philosophische und pädagogische Praxis der Charakterbildung. Im Zuge des empirical turns wurde der ursprünglich philosophische, primär moralische Charakterbegriff ersetzt durch einen empirisch gefassten Begriff der ‚Persönlichkeit‘ – also derjenigen menschlichen Eigenschaften, die beobachtbar, messbar und vergleichbar sind. 

Angebote zur Persönlichkeitsbildung sind zahlreich; auf der Welle der Selbstoptimierung erleben einschlägige Coachings und die Ratgeberliteratur einen regelrechten Boom. Mit der Begriffsverschiebung erfolgte eine Bedeutungsverschiebung: Persönlichkeitsbildung ist nahezu vollständig moralisch entleert; einerseits zielt sie auf ökonomische Effizienz und sucht Wettbewerbsvorteile zu verschaffen; andererseits fokussiert sie subjektives Wohlbefinden, sprich Glück und Selbstverwirklichung. 

Damit verfehlt sie eine ganzheitliche menschliche Entwicklung- und Reifungsperspektive, die insbesondere Fähigkeiten zur (Selbst)Reflexion und kritischem Urteilen und Entscheiden einschließt. Sie verfehlt damit auch die sozialen und politischen Herausforderungen der Gegenwart, insbesondere die Befähigung zu demokratischer Teilhabe. Angesichts pluraler Ausdifferenzierungs- und Transformationsprozesse wird die Bildung der Persönlichkeit im Sinne einer (unterstützenden) Formung von wertorientierten Haltungen und verantwortungsbewussten Charaktereigenschaften deshalb zu einer der zentralen Aufgabe der philosophisch-pädagogischen Forschung.