Universität Bonn

Katholisch-Theologische Fakultät

26. Juni 2025

Judith Reinders mit Gender Studies Prize der Universität Bonn ausgezeichnet Judith Reinders mit Gender Studies Prize der Universität Bonn ausgezeichnet

Im Mai wurden die Preisträger*innen des Gender Studies Prize 2024 und des Maria von Linden-Gleichstellungspreises geehrt.

Preisverleihung Gender Studies Prize 2024
Preisverleihung Gender Studies Prize 2024 - Lucie Schüssler und Sr. Jakoba Zöll von der Arbeitsstelle Theologische Genderforschung; Prof. Dr. Hermut Löhr, Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät; Judith Reinders, Preisträgerin Gender Studies Prize 2024; Erik Nau, Preisträger Maria von Linden-Preis; Prof. Dr. Gisela Muschiol, Leiterin der Arbeitsstelle für Theologische Genderforschung; Johanna Schwarz, Preisträgerin Maria von Linden-Preis; Aline Knapp, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Evangelisch-Theologischen Fakultät. © Barbara Frommann / Uni Bonn
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Mit den beiden Preisen würdigt das Gleichstellungsbüro der Universität Bonn herausragende Abschlussarbeiten und Dissertationen aus dem Bereich Gender Studies sowie herausragendes Engagement für Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit. Den Preis in der Kategorie Magister-/Masterarbeit geht an eine Absolventin der KTF, Judith Reinders, die ihr Theologiestudium 2024 abgeschlossen hat. Die KTF gratuliert ganz herzlich zu diesem Erfolg!

Der Gender Studies Prize wird seit 2003 jährlich durch das Gleichstellungsbüro der Universität Bonn vergeben und zeichnet herausragende Abschlussarbeiten aus, die sich inhaltlich oder methodisch mit Fragestellungen aus den Gender Studies befassen. Ziel des Preises ist, die Sichtbarkeit der Geschlechterforschung an der Universität Bonn und darüber hinaus zu fördern.

Mit insgesamt 25 eingereichten Abschlussarbeiten aus 14 Fächern war in diesem Jahr ein besonders breites Spektrum der Genderforschung vertreten. „Diesen deutlichen Zuwachs an eingereichten Arbeiten begrüßen wir sehr und sehen dies als deutliches Signal für den wachsenden Stellenwert der Geschlechterforschung an der Universität Bonn“, betont Programm-Koordinatorin Felicitas Frigge.

Umso schöner ist, dass Judith Reinders sich gegen solch eine Konkurrenz mit ihrer Arbeit über die Legende der heiligen Kümmernis durchsetzen konnte. Frau Reinders fertigte Ihre Magisterarbeit im Jahr 2024 bei Frau Prof. Muschiol in der Mittleren und Neueren Kirchengeschichte und der Theologischen Genderforschung an.


Abstract der prämierten Magisterarbeit von Judith Reinders

In der Magistraarbeit „Die bärtige Heilige als inklusive Erlöserin? Forschung zu Legende und Kult um die heilige Kümmernis“ wird die heilige Kümmernis, eine legendäre Figur aus dem Spätmittelalter zu einer interdisziplinären Untersuchung betrachtet, in der vor allem die Bereiche Geschichte, Theologie und Geschlechterforschung miteinander verknüpft werden. Ziel der Untersuchung ist es, die vielschichtige Bedeutung der unterschiedlichen Aspekte der heiligen Kümmernis zu erforschen und zu analysieren.

In der Untersuchung werden verschiedene Rezeptionsstränge der Kümmernis-Legende analysiert, die im Laufe der Geschichte entstanden sind. Die Auswirkungen der Legende auf den damaligen und heutigen Geschlechterdiskurs werden untersucht. Zusätzlich wird die Bedeutung der Heiligen für die kulturelle Identität sowie die Theologie von Christ*innen vom Mittelalter bis heute analysiert. Im theologisch-analytischen Hauptteil wird die Deutung der Symbolik der Heiligenlegende analysiert. Es wird die Funktion des Bartes für die heilige Kümmernis untersucht. Dabei werden die Bedeutung des Bartes im Laufe der Geschichte sowie die Verbindung von Bart und Jungfräulichkeit herausgestellt. Der Bart wird als Zeichen von Männlichkeit und Macht sowie als Symbol der Imitatio Dei analysiert. Dabei wird vor allem das Verständnis von Geschlechtlichkeit und die Durchbrechung der Kategorie durch den Bartwuchs der Heiligen aufgegriffen. In der Arbeit wird außerdem die Kategorie der Crossdressing-Legenden behandelt. Zusätzlich wird die Erzählung der heiligen Kümmernis in Zusammenhang mit der Theorie der Allgeschlechtlichkeit Christi gestellt. Die Interpretation und Aufnahme des Kultes der Heiligen im Laufe der Geschichte werden ebenfalls analysiert. Dazu werden Beispiele aus der zeitgenössischen Populärkultur genannt.

Die Legende der Heiligen löst bis heute Debatten über Geschlechterrollen und Geschlechtsidentitäten aus. Ihre Geschlechterfluidität zeugt von einer Komplexität und Vielschichtigkeit der Geschlechterbinaritäten in spätmittelalterlichen Wundergeschichten. Trotz einer klaren Geschlechterrollenverteilung, die durch vorherrschende Geschlechtermodelle bedingt war, eröffnet die Legende einen Raum für Neuinterpretation der mittelalterlichen Sichtweisen. Der Diskurs um die heilige Kümmernis spiegelt das Bedürfnis wider, zu androgynen Fürsprecher*innen und weiblichen Vorbildern im Glauben zu beten. Die Betitelung der Heiligen als „queer“ oder trans*zeugt von dem Wunsch nach Repräsentation und Darstellungen queerer und nichtbinärer Verkörperungen in der Geschichte.

Diese Analogien gegenwärtiger, moderner Identitätskategorien und vormoderner Ausdrucksformen sind symptomatisch für die Wahrnehmung von Menschen, die sich nicht vollständig in die Gesellschaft oder eine Glaubensgemeinschaft inkludiert fühlen. Die Chance der Inszenierung eines Dialogs zwischen mittelalterlichen Perspektiven und zeitgenössischen Ideen über queere Personen besteht demnach weniger darin, die Geschichte nach Trans*personen abzusuchen, sondern vielmehr zu untersuchen, inwieweit der geschlechterinklusive Charakter der Heiligen für heutige Debatten und Denkprozesse genutzt werden kann. Als bärtige Frau am Kreuz vereint sie sowohl spätmittelalterliche Vorstellungen der Christusnachfolge als auch Aspekte weiblicher Religiosität und weiblichen Selbstverständnisses im Mittelalter. Aus heutiger Sicht ermöglicht die Heilige ganz neue Zugänge, die jedoch immer auch kritisch betrachtet werden müssen. Ihre Figur kann insofern als inklusiv bezeichnet werden, als dass sie zur Akzeptanz und Integration von Vielfalt, sowohl im Mittelalter als auch heute, beiträgt. Dies geschieht, indem sie die Exklusivität männlicher Christusnachfolge auflöst und das männliche Ideal dekonstruiert. Die Heilige kann somit eine inklusive Ermöglicherin sein, deren Figur trotz des Rückgangs ihrer Verehrung und Popularität eine Herausforderung darstellt – sowohl damals als auch heute und in Zukunft.

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